Donnerstag, 26.3.1987, Athen

Just heute, da ich diese nervöse Stadt verlassen will, reißen die Wolken auf und die Sonne schüttet ihr Licht über das Häusermeer. Ich bin au den Lykabitos gestiegen, um die ersten warmen Sonnenstrahlen dieses Frühlings zu genießen. Der Himmel über mir ist strahlend blau, doch die Stadt versinkt in einem graubraun trüben Dunst. Die Ränder der Stadt sind nicht mehr auszumachen und von der Akropolis grüßt der Parthenon traurig herüber.

Was soll ich tun? Dem Betteln von Julchen nachgeben und noch ein paar Tage bleiben? Sie hat Gewissensbisse, daß sie bislang zu wenig Zeit für mich hatte, und bis gestern konnte ich auf das feuchtkalte Wetter verweisen, um mein Fliehen zu begründen. Ich habe nicht den Mut, ihr das zu bekennen, was sie weiß, was sie spüren muß, schon seit Jahren. Mit jedem Tag, den ich hier bleibe, werde ich verknallter in sie und noch einmal werd' ich mir nicht die Probleme geduldig anhören, die sie hat mit ihrer zukünftigen Schwiegermutter. In schlechten Spielfilmen steht dann ein feuriger Liebhaber auf, oder besser er wirft sich der Angebeteten zu Füßen und dient sich als prima Alternative an. Aber diese Nummer liegt bei mir nicht drin, aussichtslos, wie der Blick von diesem Hügel.

Ich stürme hinunter, entschlossen zu gehen. In den Schlagzeilen der Zeitungen ist von Deutschland die Rede. Ich versuche sie zu entziffern, es geht um Βίλί Μπράντ, Willi Brandt. Ich besorge mir eine deutsche Zeitung. Wie armselig muß eine Partei sein, ihren alten Recken über ein junge Griechin stolpern zu lassen, die er für ein hohes Parteiamt vorgeschlagen hat. Sie ist bildhübsch, könnte Julchens ältere Schwester sein. Es sei auch weit und breit keine Bettkante in der Nähe gewesen, muß er einer feixenden Öffentlichkeit versichern, und tief in meinem Innern muß auch ich einräumen, daß es mich fassungslos gemacht hätte, wenn ihm gelungen wäre, wovon ich träume.