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Reise in Zeiten des Krieges

Radtour durch die Champagne, Juni 1999

.... im Argonner Wald

Von hier aus geht es wieder in den Wald, wieder bergan, wieder in den Krieg. Vor achtzig Jahren war der Wald abgebrannt. Drei Jahre lang mußte das Grün weichen, gab es keinen Frühling und keinen Herbst, keine Blüten und kein Vogelgezwitscher: Es gab nur Schlamm und Staub, Ruß und Blut, Feuer, Lärm und Schreie.

Über Kilometer ist der Wald links und rechts der Straße durchwühlt. Labyrinthische Gräben winden sich im Dickicht. Die schwere Tonerde hat alles konserviert. Die Bäume in den Gräben haben bereits mächtige Stämme. Ich erreiche den Unterstand des Kronprinzen, ein erdüberschüttetes Kellerloch. Oft ist er hier gewesen, um die Leichenfelder zu überblicken. Er soll die Heeresleitung bekniet haben, das Morden einzustellen, einem Frieden ohne Landgewinn zuzustimmen. Doch die Generäle seines Vaters dachten in zwanghafter Enge und verließen sich auf die geistesabwesende Zähigkeit ihrer Soldaten und Offiziere. Bombenkrater zeichnen sich ab. Ein besonders tiefer sei das Werk von Minören gewesen, die einen Stollen unter die gegnerischen Linien getrieben haben um ihn dann zu sprengen. Ein martialischer Marmormann soll die Toten ehren. Er verhöhnt sie. Das Mahnmal wieder den Krieg ist den Waldboden gegraben. Ich spüre die Angst, den Kopf zu heben, unversehens von einer Granate zerrissen zu werden, in den Erdlöchern im Gas zu krepieren.

In solchen Gräben sei mein Großvater (väterlicherseits) zum Manne geworden. So erzählte er, stolz. Zunächst habe man ihn gehänselt, den Oberschüler mit der Brille auf der Nase, als er beim Schippen nicht hinterherkam. Doch das habe sich geändert, mit Liegestützen und Kniebeugen, mit Klimmzügen mit Gewichten auf den Waden. Nun, er hat überlebt und nur deshalb sitze ich hier. Und schon bald nach jenem ersten Krieg stand er wieder Wache, am Kriegerdenkmal des Dorfes, den Kameraden zum Angedenken, wie er sagte. Das hätte er auch zu hause tun können. An seiner Brust klebte der eckige Adler mit den langen Flügeln. Das Strammstehen in Uniform machte allen deutlich: Ich sinne auf Rache.

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